Glasklare Gefahr

23.10.2020, Katja Rauchenstein
Grosse Fensterscheiben, welche einen Blick in die Natur erlauben und die Sonnenstrahlen ins Wohnzimmer fluten lassen, sind heutzutage oft Standard bei Neubauten. Was uns eine wohnliche Atmosphäre bietet, stellt jedoch für Vögel eine grosse Gefahr dar. In der Schweiz kommen jedes Jahr hunderttausende Vögel durch Kollisionen mit Fensterscheiben ums Leben – dabei wären viele Unfälle vermeidbar. Machen Sie Ihr Zuhause sicher und starten Sie mit dem Vogelschutz an den eigenen vier Wänden.
Ein Labyrinth aus durchsichtigen Hindernissen

Sie sind an der Chilbi in einem Glaslabyrinth. Mit vorsichtigen Schritten tastet man sich Schritt für Schritt durch die Gänge des Labyrinths, Arme weit vor sich ausgestreckt und trotzdem stösst man sich immer wieder an den durchsichtigen Wänden. Stellen Sie sich vor, Sie wären nun statt mit 1km/h mit rasanten 40km/h unterwegs, so schnell wie ein Vogel. Vögel sind zwar wahre Flugkünstler und umfliegen Hindernisse mit Leichtigkeit, doch auf unsichtbare Hindernisse wie Glasscheiben sind sie nicht vorbereitet.

Ein toter Spatz liegt auf einer asphaltierten Strasse
Kollisionen mit Glasscheiben sind eine der grössten menschgemachten Todesursache für Vögel in Europa.
Täuschungen im Siedlungsraum

Fatalerweise stellen Glasscheiben gleich eine doppelte Gefahrenquelle dar. Zum einen sind Bäume hinter den Scheiben - zum Beispiel von Wintergärten, Balkonen oder Bushaltestellen - für die Vögel erkennbar, die Scheibe selber nehmen sie jedoch nicht wahr. Zum anderen können Scheiben die Bäume und den Himmel reflektieren und durch den Spiegeleffekt Lebensraum vortäuschen. Fliegen die Vögel mit hoher Fluggeschwindigkeit in die Scheibe, brechen sie sich häufig das Genick oder ziehen sich eine tödliche Gehirnerschütterung zu. Schätzungen zufolge sterben europaweit jährlich fünf bis zehn Prozent der Vögel durch Glaskollisionen. Zusammen mit Katzen sind Glaskollisionen somit Spitzenreiter unter den menschgemachten Todesursachen für Vögel in Europa. 

Eine grosse Glasfassade eines Hochhauses, indem sich Bäume spiegeln
Bäume, die sich in Glasscheiben spiegeln, können für Vögel eine tödliche Illusion darstellen.
Punktemuster statt Vogelsilhouetten

Dabei gibt es einfache Lösungen, um die Gefahrenquellen und Opferzahlen zu minimieren. Für Neubauten mit grossen Glasscheiben, wie sie beispielsweise bei Bürogebäuden, Bahnhöfen oder Bushaltestellen vorkommen, kann Drahtglas, Milchglas oder bedrucktes Glas das Gebäude für Vogelaugen sichtbar machen. Auch zu Hause können Sie Ihre Fensterscheiben nachträglich sichern: Bekleben Sie die Scheiben beispielsweise mit einem Streifen- oder Punktemuster im Abstand von etwa fünf bis zehn Zentimetern. Einzelne Vogelsilhouetten stellen keinen ausreichenden Schutz dar, da die Lücken zwischen den Vogelklebern aus Vogelsicht zum Durchfliegen reichen. Und auch Muster im Ultraviolettbereich, die für den Menschen nicht sichtbar sind, haben sich als nur wenig wirksam erwiesen – nicht zuletzt, weil nicht alle Vögel UV-Licht sehen können. 

Balkone mit Streifenmuster
So gesicherte Balkongläser können Glaskollisionen verhindern.
Schmutzige Fenster retten Vogelleben

Auch helle Vorhänge, Fensterdekoration und Fliegennetze vor den Fenstern sind sehr einfach umzusetzende Schutzmassnahmen. Oder sind Sie eher der kreative Typ? Mit Fensterfarbe oder Dekorsprays sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt und gerade mit Kindern oder zur Weihnachtszeit lassen sich Fenster wunderschön gestalten und gleichzeitig sichern. Die allereinfachste Variante ist jedoch: Verzichten Sie auf das Fensterputzen! Der Staub verringert nämlich die Spiegelung und dadurch nehmen die Vögel die Scheiben eher war. Je sichtbarer die Fenster für unsere gefiederten Freunde also sind, desto weniger Todesopfer durch Glaskollisionen müssen wir beklagen. 

Ein Wintergarten, welcher mit einem aufgeklebten Fensterbild für Vögel sichtbar gemacht wurde
Weisse Rollläden und Fensterfolie machen Wintergärten für Vögel sichtbar.